Bruegels Vision

Da lese ich in einer namhaften Zeitschrift einen Bericht über die Hilfe für Haiti. Darauf folgt ein Bericht von der Rückehr des Diktators Duvalier aus dem Exil in seine Heimat Haiti. Das macht nachdenklich! Will der, der sich in seinem Heimatland schwerer Vergehen schuldig gemacht hat, eventuell auch einen Anteil von der Hilfeleistung (sprich Geld) für sich abzweigen. Wie ich so lese, kommt mir ein Kupferstich von Philip Galle und Ausführungen von M Ernst Wahl dazu in den Sinn.

 

Wenn es nur so wäre: Die Erde ist voll Güte des Schöpfers. Die gängige Alltagserfahrung der Menschen, die auch meine ist, ist eine andere. Die Erde ist voller Raubbau, voller Eigennutz, voller Zerstörung, jedenfalls voll vom Gegenteil der Güte – dem Schlechten. Wahrscheinlich ist diese Sichtweise keine typisch Moderne, keine heutige, sondern eine, die es zu allen Zeiten gab und gibt. Nur manchmal erlebt man die Güte, wenn man ihr vorsichtig die Hand hinhält, sie aufnimmt.

Gar nicht vorsichtig, gar nicht zart, sondern schockierend realistisch und brutal hat Pieter Bruegel (1525 – 1569), der Maler aus dem Gebiet des heutigen Belgiens, vor rund 450 Jahren diese uralte Erfahrung ins Bild gebracht. Ein paar Jahre später hat Philip Galle Bruegels Bild in einen Kupferstich umgesetzt, der jeder Milde entbehrt, ohne jede farbliche Abmilderung auskommt.

Wer das Matthäus-Evangelium kennt, erkennt auch die Szene: Die sieben Werke der Barmherzigkeit sind in dem Stich dargestellt. Im Zentrum die Mutter der Barmherzigkeit, in der Hand ein brennendes Herz, auf dem Kopf den Pelikan, der sich der Legende nach selbst verletzt, um seine Jungen zu schützen und zu nähren. Die Werke nach Matthäus: Hungrige Speisen, Durstige tränken, Fremde beherbergen und Gefangene besuchen, was nicht in dem Text bei Matthäus zu lesen ist: Tote bestatten.

Es ist einer der Grundlagentexte kirchlicher Sozialarbeit. Mithin hat Bruegel die Grundlage der Diakonie anschaulich gemacht. Was auffällt: Woher das Brot, woher der Wein, wo­her die neuen Kleider kommen, das lässt das Bild offen. Die „Werke“ der Barmherzigkeit sind keine Produk­tionsstätten, wie es Motorenwerke sind. Die „Werke“ der Barmherzigkeit sind Taten der Güte, die aus der Zu­wendung des Schöpfers zu Menschen fließen, Folgen der Güte des Schöpfers sind jene die Güte erlebbar machen. Da­mals und heute, immer und überall, wo sie praktiziert wird, spricht man von der Güte des Schöpfers.

Und weil die Werke der Barmher­zigkeit oft und an vielen Orten offen aber auch still und heimlich ausgeübt werden, darum konnte Bruegel und können wir davon reden, dass die Erde voll der Güte des Schöpfers ist, trotz solcher Nachrichten, die ich da gelesen habe.

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